An den Seelen der Zuhörer gezupft

Stargeiger AdamBałdych und Pianist Helge Lien grandios in Pleinting 

Vilshofener Anzeiger, Feuilleton: Bericht: Gabriele Blachnik, Fotos: Sebastian Ambrosius

Wenn in der Neuen Musik die klassische Spielweise von Instrumenten aufgebrochen wird, wirkt das gelegentlich bemüht oder bewusst ungezogen. Wenn aber der Geiger Adam Bałdych die Spielweise der Violine vom klassischen Korsett befreit – den Bogen in neuartigen Bewegungen über die Saiten streicht, oder ihn weglegt, um dieTöne zu zupfen und dabei den Korpus auch als Trommel zu nutzen – dann geschieht das bedacht, sanft, ja zärtlich. Nah am  Körper, abgesenkt, so dass er sie immer gut im Blick hat, hält er die Geige wie ein Kind, das er dazu animiert, ungezwungen, aus sich heraus neue Spielweisen zu entdecken.
Wenn dann sein Partner, der Pianist Helge Lien, zeitgleich in die Saiten seines Flügels greift, dient das der puren Harmonie. Dann verschwistert sich der Klang gezupfter Saiten im Dienst der gespielten Komposition, zeigt sich das Duo in innigster Verbindung.
Eine Verbindung, die beide Ausnahmemusiker über die gesamte Dauer ihres Konzertes halten, umhüllt von der in zartes rotes Licht getauchten Apsis der Alten Kirche in Pleinting (Landkreis Passau). In besonderen Momenten wird  das Halbrund zum sphärischen Ort für synchrone, engelshafte Flügelschläge dieses fantastischen Duos. Dorthin, in den kleinen Raum eines kleinen niederbayerischen Ortes, der weitreichender nur durch ein altes Heizkraftwerk  bekannt ist, haben die Jazz- und Musikfreunde Vilshofen die beiden international erfolgreichen Musiker gelockt. Seit zehn Jahren spielen sie miteinander, oft in Kombination mit dem Jazztrio des norwegischen 

Pianisten. Im Duo haben sie die Möglichkeit, sich musikalisch überall hinzubewegen, sagte der polnische Stargeiger in Pleinting. Die Alte Kirche bot ihnen dafür einen intimen Raum, in dem sich ihre Instrumente unverstärkt entfalten konnten.
Jeweils mehrere Stücke lässt das Duo ineinanderfließen, schafft damit musikalische Bögen. Flüsternd beginnt Adam Bałdych das Konzert, lässt die Violine allmählich singen, dann sich auf Helge Liens Tastenharmonien weitertragen bis in dramatische Stimmung. So entstehen epische, an Filmmusik erinnernde Passagen. 
Manche Kompositionen haben erzählenden, lyrischen Charakter, andere beginnen rhythmisch zu grooven.
Bałdychs technische Perfektion, die ausschließlich gewollte Töne und Zwischentöne zulässt, verleiht der beiderseits beseelten Musik zusätzliche Kraft und macht dieses Duo einzigartig.
Zwischendurch stellt Adam Bałdych die zweite Geige vor, die er dabeihat: eine nachgebaute Renaissance-Violine, die weich und sonor klingt wie ein Cello, dabei vornehm zurückhaltend. Ohne Kinnstütze hält er sie direkt am Kopf, um die Resonanzen ihrer unlackierten Decke direkt zu empfangen. Diese Violine habe auf ihn gewartet, sagt Bałdych liebvoll, bevor das Duo sein Stück „Love“ anspielt. Längst ist auch das Publikum beseelt, als die Musiker als Zugabe Leonard Cohens berühmtes „Hallelujah“ anstimmen – dessen Harmonien in Pretiosen verwandeln und unmittelbar an den Seelen der Zuhörer zupfen, auf dass sie dieses Konzert so schnell nicht vergessen werden.

Vilshofener Anzeiger, Lokalteil vom 17. März 2025
Bericht: Gabriele Blachnik, Fotos: Sebastian Ambrosius
Jazzfreunde bringen Stargeiger nach Pleinting
Adam Bałdych & Helge Lien beseelte die Alte Kirche

Pleinting. Die Jazz- undMusikfreunde Vilshofen hatten nicht locker gelassen, bis sie tatsächlich den internatonial gefeierten Jazzgeiger Adam Bałdych für ein Konzert gewinnen konnten. Zusammen mit seinem kongenialen Partner,  dem norwegischen Pianisten Helge Lien, spielte der polnische Ausnahmegeiger in der Alten Kirche in Pleinting. Das Duo verwandelte die in zart rotes Licht getauchte Apsis der ehemaligen Kirche in einen Raum für musikalische Grenzerfahrungen.
Peter Wallner, Vorsitzender der Vilshofener Jazzfreunde, hielt sich in seiner Begrüßung geschickt zurück, versprach „nur“ ein furioses Konzert.

Freunde von Jazz und Neuer Musik waren aus weitem Umkreis gekommen, füllten den Raum bis in die letzte Reihe – und erlebten ein nicht nur furioses Konzert. Vielmehr zwei Musiker, die ihre sehr innige Beziehung zu ihrem  Instrument und ihre Virtuosität zu einem ungewöhnlich beseelten Zusammenspiel vereinen.
Adam Bałdych spielt seine Violinen, ein klassisches Intrument und eine nachgebaute Renaissance-Geige, im Wechsel mit dem Bogen oder per Hand gezupft. In beiden Spielweisen erzaubert er eine Vielfalt an Klängen  und Stimmungen und ist über jede Unreinheit erhaben. Helge Lien begleitet ihn schlafwandlerisch am Flügel, unterlegt, gibt vor oder folgt ihm in berückender Harmonie. 
Ihre Stücke wechseln zwischen leisen, lyrischen, folkloren, epischen, groovenden und aufbrausenden Passagen.
Für wen die Musik vielleicht zu unerwartet, zu ungewöhnlich war, der wurde spätestens bei der Zugabe von ihr gefangen: eine Interpretation des „Hallelujah“ von Singer-Songwriter Leonard Cohen, die unter die Haut ging.

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